Ich habe mich geirrt.
Unternehmen stehen ohnmächtig vor den Transaktionskosten.
Und sie wählen immer noch die Fähnchen, statt auf wirksame Instrumente zu setzen (ein großartiger Werbespot der Sparkasse).
Verlier dich jetzt nicht auf YouTube, sondern lass uns von vorne beginnen.
In den 1990er-Jahren waren sie allgegenwärtig. Die anzugtragenden Lean-Consultants, die mit der Stoppuhr neben den Bearbeitern standen.
Deren Versprechen: Wir zeigen euch, wie die Japaner in den 60er und 70er Jahren zur Wirtschaftsmacht aufstiegen. Lean war abgesagt.
In den 2000er-Jahren kam ein weiteres Thema dazu: „Hey Joe“ – Das ist nicht nur ein Song von Jimi Hendrix. Der „Hey Joe“-Effekt ist auch der Fluch der Transaktionskosten in IT-Abteilungen.
Übrigens: Ich liebe diesen Song. Vielleicht liegt es daran, dass mein Spitzname Joe lautet. Ich fühle mich auf jeden Fall geehrt und ignoriere einfach den tragischen Inhalt des Songtextes.
Beide, die anzugtragenden Lean-Consultants und „Hey Joe“ werden dir in diesem Artikel begegnen. Aber eigentlich geht es um eine der größten Verschwendungen im Unternehmen. Und ich meine wirkliche Verschwendung, nicht „nur“ Muda (Gruß an alle Lean-Verfechter).
In diesem Artikel wird es ziemlich „un-agile“. Aber glücklicherweise bleibt es radikal. Wir begeben uns zur Wurzel der größten Verschwendung im Unternehmen, den Transaktionskosten.
Gib mir 7 Minuten und du erfährst:
- wie „Hey Joe“ die IT nachhaltig prägt,
- welche Rolle DevOps dabei spielt und
- du bekommst 10 Beispiele für Transaktionskosten vielen Unternehmen und Abteilungen das Genick brechen
Und eine letzte Sache: Du erfährst, was die anzugtragenden Lean Consultants mit der Stoppuhr damit zu tun haben.
Lass und gleich durchstarten!
Was ist der „Hey Joe“ Effekt?
Der IT-Service kennt ihn schon lange. Das CIO-Magazin hat ihn bereits 2004 im Editorial sehr treffend beschrieben:
Mitarbeiter im IT-Service haben ein Problem: Am liebsten erteilen ihnen ihre Kunden die Aufträge auf dem Flur oder im Fahrstuhl. „Meine E-Mail-Box läuft über, kannst du nicht irgendwie automatisch…“ oder „Hey, könntest du nicht mal auf meinem Rechner… installieren“ gehören zu den Klassikern in der Kommunikation mit IT-Mitarbeitern. Erstaunlich dabei ist, dass viele von ihnen dieses Hey-Joe-Prinzip gar nicht als ihr Problem erkennen. Ein IT-Joe gefällt sich in der Rolle des Helfers in allen Lebenslagen. Ihm gefällt die Omnipotenz, die ihm an allen Orten in der Firma zugesprochen wird.
CIO, Editorial: ITIL vereitelt „Hey-Joe-Prinzip“ vom 08.11.2004
„Hey Joe“ beschreibt also den Effekt, dass Mitarbeiter im Unternehmen ihre Probleme nicht über den offiziellen Weg einreichen, sondern direkt auf die einzelnen Support-Mitarbeiter zugehen. Dieser Support-Mitarbeiter kann in der Zeit nicht an den Aufgaben arbeiten, die auf die Unternehmensziele einzahlen. Systemische Probleme fallen nicht auf oder werden zu spät erkannt.
Erkennst du diesen Effekt wieder?
Diese U-Boot-Aufgaben zerstören die Teamproduktivität.
Hat sich seitdem etwas gebessert? Unternehmen haben IT Service Management-Prozesse (ITSM) etabliert, ITIL-Best Practices umgesetzt, CMMI und COBIT umgesetzt. Außerdem haben sie Key Account Manager eingesetzt und massenhaft Formulare und Prozesse erdacht.
Die Unternehmen waren auf einem steinigen und ungemütlichen Weg der Besserung, doch dann…
Dann kam DevOps und das Spiel begann von neuem
All diese Maßnahmen führten am Ende dazu, dass eine riesige, unüberwindbare Mauer zwischen den Abteilungen existierte. Gearbeitet wurde nur noch, wenn es ein Ticket gab und der Key Account Manager oder die Führungskraft die Aufgabe zugewiesen oder zumindest abgenickt hat.
Die Führung wurde überlastet, wichtige Informationen verschwanden in den jeweiligen Silos, die Zusammenarbeit kam zum Erliegen.
Dann kam DevOps und riss die Mauern zwischen Business, Development, Operations und Security ein. Der Appell: „Arbeitet zusammen auf das Unternehmensziel hin. Etabliert gemeinsam einen Wertstrom. Redet miteinander.“
Das Problem: Hey Joe war wieder da und all die Veränderungen, die ITSM hervorgebracht hatte, waren auf einen Schlag lästig oder alte Welt.
Was hat das mit Transaktionskosten zu tun?
Unsere Ressourcen in der IT sind knapp:
- Geld,
- Zeit,
- Arbeitszeit,
- Arbeitskraft,
- IT-Hardware,
- spezifisches Wissen und Erfahrung
Gleichzeitig nehmen die Gefahren und Risiken stetig zu:
- Fachkräftemangel,
- Hackerangriffe,
- unkontrollierte Migration (ausgebildete Fachkräfte verlassen das Land),
- Inflation,
- Krieg,
- Klima-Wandel,
- Immobilienblase in Zusammengang mit der Globalisierung
Wie kannst du also die knappen Ressourcen einsetzen, sodass dein Unternehmen diesen Gefahren und Risiken trotzen kann?
Jetzt geht es um Effizienz
Der effiziente Einsatz der verfügbaren Ressourcen ist der Schlüssel zum Erfolg. Ok, diese Binsenweisheit lernst du auch im BWL-Studium und jeder dritten Schulung.
Die Frage ist deshalb: Warum handeln wir dann so extrem ineffizient?
10 Beispiele, wie ineffizient wir handeln
- Wir reden in Meetings mehrere Stunden darüber, ob eine Person eine Aufgabe umsetzen sollte, die vielleicht einen halben Tag Aufwand bedeutet.
- Wir akzeptieren Wissenssilos, weil uns die Zeit zu schade ist, den Experten den Freiraum zu geben, ihr Wissen und ihre Erfahrung zu teilen.
- Wir bauen komplizierte Prozesse über unterschiedlichste Abteilungen und erwarten, dass diese reibungslos, also effizient laufen.
- Wir wollen über alles informiert sein und lassen massenhaft Berichte entwickeln.
- Wir schieben uns lieber gegenseitig den schwarzen Peter zu, statt uns um die schnelle und nachhaltige Lösung des Problems zu kümmern
- Wir nutzen die Eskalationsspirale, um unsere egoistischen Ziele mithilfe der Hierarchie gegen die eigentlichen Unternehmenszielen durchzusetzen.
- Wir schachern um Budgets, statt das verfügbare Geld zielführend im Sinne des Unternehmens einzusetzen.
- Unser Wissensmanagement gleicht eher dem Wildwuchs in einem verwahrlosten Garten. Nicht umsonst gibt es die Rolle des Wiki-Gärtners.
- Die meisten Mitarbeitenden sind mit ihren alltäglichen Herausforderungen heillos überfordert. Deren Tagesgeschäft gleicht eher einem durchwurschteln statt einem effizienten und kontrollierten bearbeiten der Aufgaben.
- Es kommen neue Richtlinien der EU oder anderer wichtiger Institutionen heraus. Statt zu überlegen, wie wir damit umgehen und wie sie uns nützen können, lamentieren wir herum und versuchen Abkürzungen zu gehen, die uns später sehr teuer zu stehen kommen und am Ende auch noch zu großen Problemen führen. Eine Loose-Loose Situation
Das waren nur 10 prominente Beispiele dafür, wo in unseren Unternehmen und Abteilungen Transaktionskosten entstehen. Es gibt noch hunderte weitere Beispiele. Diese Transaktionskosten killen die Effizienz in deinem Unternehmen.
Der Fluch der Transaktionskosten
Das Problem dabei: Transaktionskosten lassen sich kaum messen und schon gar nicht eindeutig zuordenbar. Oft zahlen Unternehmen für kurzzeitige Gewinne später eine riesige Hypothek ab, die dann aber das neue „Normal“ sind. Sie liegen in einer Schattenwelt, die von den typischen Management-Werkzeugen nicht erfasst werden können. Unternehmen beschäftigen sich deshalb lieber mit der Optimierung an lokalen Stellen, statt das gesamte System unter die Lupe zu nehmen.
Und jetzt kommen sie: Ich dachte, der Hype wäre vorbei, aber Bekannte aus der Produktion erzählen mir immer wieder davon: Anzugtragende Lean-Consultant mit der Stoppuhr (inzwischen natürlich auf einem Smartphone) sind immer noch das Mittel der Wahl, um Effizienzen zu steigern. Willkommen in den verklärten 90ern.
Wo fallen in deinem Umfeld Transaktionskosten an? Schreib es gerne in die Kommentare.